AFRIKA - Kardinal Bernardin Gantin und sein “römisches” und missionarisches Herz

Samstag, 8 Februar 2025

SMA

Von Antonella Prenna

Rom (Fides) - Der wichtigste Flughafen in Benin, seinem Heimatland, ist nach dem 2008 verstorbenen Kardinal Bernardin Gantin benannt. Siebzehn Jahre nach seinem Tod waren es die Bischöfe der Bischofskonferenz des Latium, die das Verfahren zur Eröffnung des Selig- und Heiligsprechungsprozesses bewilligten. Und es war das Vikariat von Rom, das das Edikt veröffentlichte, das sein Diözesantribunal aufforderte, „alle Nachrichten zu ammeln, aus denen man in irgendeiner Weise Elemente ableiten kann, die für oder gegen den Ruf der Heiligkeit des besagten Dieners Gottes sprechen“.

Der Prozess zur Heiligsprechung des beninischen Kardinals, angefangen bei den beteiligten Akteuren, hebt damit einen der Züge hervor, die das gesamte menschliche und christliche Abenteuer dieses „afrikanischen Riesen“, wie Johannes Paul II. ihn nannte, geprägt haben: seine leidenschaftliche Identifikation mit der Kirche von Rom, die sein missionarisches Herz nährte und auch seine Liebe zu seinem Heimatland umfasste.

„Zweifelsohne ist es nicht das Hauptziel jedes Christen eines Tages selig- oder heilig gesprochen zu werden. Er strebt vielmehr danach ein „Gläubiger“ ein authentischer Mensch des Glaubens nach dem Vorbild Christi zu sein und Christus in allen Aspekten und Umfeldern des irdischen Lebens zu bezeugen und zu vergegenwärtigen. Dies ist die unverzichtbare Pflicht des Christen, dem der „Sendungsauftrag anvertraut wurde“, das heißt für denjenigen, der ausdrücklich mit der Glaubensverkündigung beauftragt wurde“, so der Kardinal in seinem Kommentar zur Missionsgebetsmeinung des Papstes für den November 2004 (vgl. Fides, 28/10/2004)

„Mit großer Dankbarkeit gegenüber dem Nachfolger Petri blicke ich in die Zukunft, am Vorabend neuer Horizonte, um immer Rom in meinem Herzen zu tragen, so wie ich versucht habe, die Kirche meines Landes nach Rom, der Stadt Petri, zu bringen“, heißt es in der Predigt, die er am Grab des Heiligen Petrus unter dem Hauptaltar im Petersdom, am 3. Dezember 2002, hielt und in der Gantin noch einmal hervorhebt, dass der Missionar, auch wenn er aus einer bestimmten Nation stammt, ein „römisches Herz“ haben muss, das sich nicht so sehr auf die irdische „civitas“ bezieht, sondern vielmehr auf die Ewige Stadt, d.h. auf den Papst, den Nachfolger Petri.

Als Missionar mit Leib und Seele verstand Kardinal Gantin die Mission als Schlüssel zum Verständnis seiner persönlichen Existenz und seines Priestertums.

In einem Interview mit Joseph Ballong, dem Leiter des französisch-afrikanischen Programms von Radio Vatikan, der am 1. Februar dieses Jahres verstorben ist, bringt er gut zum Ausdruck, wie seine positive Antwort auf die Bitte von Paul VI., an der Spitze der römischen Kurie zu dienen, sein Leben zutiefst geprägt und seine Berufung zum Weltmissionar bestimmt hat. Es ging darum, „Ja“ zum Ruf des Heiligen Vaters zu sagen, im Gefolge der Missionare, die die gleiche Antwort gaben, um Afrika zu evangelisieren. Für Kardinal Gantin bedeutet Christsein in erster Linie, Missionar zu sein, d.h. ein wahrer Zeuge der Frohen Botschaft des Heils zu werden und Jesus in jeder Kultur und jeder Situation gegenwärtig zu machen.

In seiner Rede in Ronco Scrivia (Italien) dem Geburtsort von Pater Francesco Borghero von der Gesellschaft der Afrikamissionen, einem der Missionare, die in seiner Heimat Benin mit der Verkündigung des Evangeliums begannen, sagte er: „Ich fühle mich zutiefst bewegt, Ihnen in meiner bescheidenen Person ein Zeichen der Dankbarkeit zu überbringen, die die Kirche Afrikas für die Missionare empfindet, die auf jede unter Verzicht auf noch so legitime menschliche Befriedigung ihre Gesundheit, ihre körperliche und geistige Kraft, jede ihrer Stärken, Begabung und Möglichkeit in den Dienst der Evangelisierung Afrikas gestellt haben, wobei sie enorme Schwierigkeiten und Opfer auf sich genommen haben. Ich vergesse nicht, dass meine eigene Zugehörigkeit zur katholischen Kirche und die Wahl meines Lebens im christlichen Glauben sicherlich mit dieser Evangelisierung in Dahomey, dem heutigen Benin, verbunden sind“. Der Nachname Gantin bedeutet „eiserner Baum des afrikanischen Landes“, und sein Volk und sein Land waren und sind in seinem Leben immer präsent.
Die tiefe Verbundenheit des künftigen Seligen Gantin mit der Gesellschaft der Afrikamissionen bekräftigen, Zeugnisse von Menschen, die wichtige Momente und grundlegende Aspekte ihres Lebens mit ihm geteilt haben.

„Es war der 21. Juni 1975. Ein Samstag. Ein Jahr später werden Lorenzo Mandirola und ich, wir studierten am gleichen Seminar, zu Priestern für die Mission ‚ad Gentes‘ geweihtwerden“. so Pater Sandro Lafranconi (SMA) der die Diakonweihe von Kardinal Gantin empfangen hatte“, so der derzeit in Polynesien tätige Missionar gegenüber Fides. „Bischof Bernardin Gantin, der bereits nach Rom berufen worden war, um in der vatikanischen Zentralverwaltung zu arbeiten, war in unser SMA-Provinzhaus in Genua eingeladen worden, um uns die Diakonweihe zu spenden. Wenn seine Anwesenheit bei unserer Diakonatsweihe schon von besonderer Bedeutung war, so war es für ihn noch wichtiger, nach Genua zu kommen und bei dieser Gelegenheit bis nach Ronco zu reisen, einem kleinen Dorf im Scrivia-Tal, das hinter der ligurischen Hauptstadt liegt. Tatsächlich war es genau dieses Dorf, aus dem Pater Francesco Borghero, ein Mitglied der damals kaum 30 Jahre alten Gesellschaft für die Afrikamissionen aufgebrochen war. Pater Borghero gehörte zu den ersten, die in Dahomey, dem heutigen Benin, ankamen, um das erste Senfkorn des Evangeliums zu bringen. Hundert Jahre später gehörte Bernardin Gantin zu den Früchten des inzwischen kräftigen Gewächses der katholischen Kirche, das Wurzeln geschlagen und Zweige und Blätter, ja sogar Früchte getragen hatte. Ein Sohn des Bodens von Benin, Frucht des Baumes des Evangeliums, der dort ein Jahrhundert zuvor gepflanzt wurde.“

„Ich erinnere mich deutlich an die Diskretion, die Stille und die Sammlung, die dennoch seine tiefe Ergriffenheit kaum unterdrücken konnten, als er am Ende der Sonntagsmesse in der kleinen Kirche von Ronco Scrivia innehielt, um am Grab von Pater Borghero zu beten, das sich jetzt in einer Seitenkapelle der Kirche selbst befindet“, so Pater Sandro. „Und er wiederholte, dass dieser Tag für ihn die dankbare und freudige Rückkehr eines Sohnes in sein väterliches Haus war. Es war ein liebevolles und einfaches Zusammenkommen mit dem 'grand vieux', der das Evangelium in seine afrikanische Heimat gebracht hatte. Wenn ich heute ein Christ bin und wenn mein Land den auferstandenen Christus kennt, dann verdanke ich das Pater Borghero und meiner geistlichen Familie der Gsellschaftt der Afrikamissionen. Und auch wenn dies nicht seine genauen Worte sind, so übernehme ich doch die Verantwortung dafür, dass ich sie selbst aus seinem Herzen und von seinen Lippen habe sprechen hören“.

„Eine fröhliche, einfache, intelligente und kultivierte Persönlichkeit“, erinnert sich Pater Lafranconi. „Seine Wesensart und die Art sich zu präsentieren, seine diskrete Freundlichkeit und spontane Direktheit verhinderten, dass sich bei Begegnungen mit ihm auch nur der Schleier der Rassenunterschiede und des Unverständnisses einschlich. Als natürlicher Brückenbauer zwischen den Kulturen und Völkern wurde er zu einem herausragenden Vertreter der Kirche, weil es ihm gelang, diskret, bescheiden und aufrichtig zu sein. Wie könnten wir vergessen, dass Papst Johannes Paul II. ihm sein päpstliches Kreuz gegeben hatte, um ihn in Lourdes zu vertreten, als er in jenem dramatischen Jahr, in dem er Opfer des Anschlags auf dem Petersplatz wurde, nicht dorthin reisen konnte?“. „Von Bischof Gantin zum Diakon geweiht, bin ich immer wieder sprachlos, wenn ich feststelle, dass einer der wichtigsten Momente meines Lebens von einer Person geprägt wurde, deren Tugendhaftigkeit mit der der Heiligen vergleichbar ist“, schließt Pater Lafranconi gerührt.

Eine andere Erinnerung an den „afrikanischen Riesen“ hat Pater Lorenzo Rapetti, derzeit Provinzsekretär der Gesellschaft der Afrikamissionen in Genua.

„Ich kam in den 70er Jahren in Kontakt mit Kardinal Gantin, als ich als Missionar in der Elfenbeinküste in der Mission Lakota, vom Provinzial der Gesellschaft der Afrikamissionen in Paris gebeten wurde, einen Elfenbeinschnitzer zu beauftragen, einen Altar aus massivem Iroko-Holz zu schnitzen und dem Kardinal zu liefern, ähnlich dem, den er im Haus der Gesellschaft der Afrikamissionen in Paris bewunderte. Er mochte diesen Altar und benutzte ihn während seines gesamten Aufenthalts in Rom, zunächst in San Callisto und dann im Vatikan, um die tägliche Messe zu feiern. Er nahm ihn auch mit, als er 2002 nach Benin zurückkehrte, wo der Altar noch immer in der kleinen Kapelle des Hauses steht, in dem er seine letzten Jahre in Cotonou verbrachte“, so der Missionar gegenüber Fides.

„Der Kardinal war ideell Teil der Gesellschaft der Afrikamissionen, aber diese Zugehörigkeit wurde am 25. Juni 1993 auch konkret, als er zum Ehrenmitglied der Gesellschaft der Afrikamissionen ernannt wurde. Als er 1977 von Papst Paul VI. zum Kardinal ernannt worden war, steckte ihm der damalige Generalobere der Gesellschaft der Afrikamissionen, Pater Joseph Hardy, den bischöflichen Ring des Ordensgründers De Marion-Brésillac an den Finger, den er bei seiner Rückkehr nach Benin zurückgab“, so der Missionar.
„Ich wusste von seiner Verbundenheit mit der italienischen Provinz der Gesellschaft der Afrikamissionen durch den ligurischen Missionar Pater Francesco Borghero, der aus Ronco Scrivia stammte und den Gantin als den eigentlichen Gründer der kirchlichen Mission im damaligen Dahomey, dem späteren Benin, betrachtete“, so Pater Lorenzo weiter, „Ich hatte Gelegenheit, seine Talente und seine Persönlichkeit in den zehn Jahren meines Aufenthalts in Rom als Generalökonom und in anderen Aufgabenbereichen näher kennenzulernen. Er war oft bei uns im Generalat bei wichtigen Anlässen, wie dem 8. Dezember, dem Jahrestag der Gründung der Gesellschaft der Afrikamissionen (1856) und dem 25. Juni, dem Todestag unseres Gründers Melchior-Marie De Marion Brésillac. Manchmal traf ich ihn in Marino bei Rom, wo er zu den Schwestern Unserer Lieben Frau von den Aposteln ging, die in seinem Leben ebenso präsent waren, und er erinnerte sich gern an die Schwestern, die ihn in den ersten Jahren der Grundschule und bei seinem Eintritt ins Priesterseminar begleitet und unterstützt hatten“.

Die Verbindung zwischen Gantin und der Gesellschaft der Afrikamissionen reicht von seiner Ausbildung im Kleinen Seminar „Sainte Jeanne d'Arc“ und später im Großen Seminar „Saint Gall“, immer unter dem wachsamen Auge der Missionare der Gesellschaft der Afrikamissionen, bis zu seiner Priesterweihe durch Handauflegung des Erzbischofs Louis Parisot (SMA), dessen Nachfolger er an der Spitze der Erzdiözese Cotonou er werden sollte.

Im April 1999 hatte Gantin, der von 1984 bis 1998 Präfekt der Bischofskongregation war, in einem Interview mit der Monatszeitschrift „30 giorni“ klare Worte gefunden, um die Praxis der Versetzung von Bischöfen von einer Diözese in eine andere zu verurteilen, und seine Wertschätzung für die alte Disziplin zum Ausdruck gebracht, die dazu tendierte, die Nachfolger der Apostel als „beständig“ und dauerhaft in den Bischofssitzen zu betrachten, für die sie bestimmt waren. „Wenn er ernannt wird“ so der Kardinal im Interview, „muß der Bischof für das Gottesvolk Vater und Seelsorger sein. Und Vater ist man für immer. Und so soll ein auf einen bestimmten Bischofssitz ernannter Bischof allgemein und grundsätzlich immer dort bleiben. Ich will Ihnen das verdeutlichen: Die Beziehung zwischen dem Bischof und seiner Diözese wird auch mit einer Ehe verglichen, und eine Ehe ist nach dem evangelischen Geist unauflöslich. Der neue Bischof darf keine anderen persönlichen Pläne machen. Es kann schwerwiegende, sehr schwerwiegende Gründe dafür geben, daß die Autorität entscheidet, den Bischof zu entfernen, ihn sozusagen von einer Familie in eine andere schickt. Wenn die Autorität das entschieden hat, dann waren dafür eine Reihe von Gründen ausschlaggebend, und ganz sicher nicht der Wunsch eines Bischofs, den Bischofssitz zu wechseln“. In demselben Interview stellte Gantin das damals selbstverständliche Konzept der „Kardinaldiözesen“ in Frage: „Heute gibt es in den Ländern, die erst vor kurzem evangelisiert wurden, wie Asien und Afrika, nicht sogenannte Kardinalssitze, sondern die Purpurwürde wird der Person übertragen. So müßte es überall sein, auch in der westlichen Welt. Es gäbe keine deminutio capitis, und auch kein Fehlen des Respekts, wenn z.B. der Erzbischof der riesigen Erzdiözese Mailand, wie auch anderer alter und hochgeachteter Diözesen, nicht zum Kardinal kreiiert wird. Das wäre keine Katastrophe”.

„Inzwischen bin auch ich Römer geworden und kehre als römischer Missionar in mein Afrika zurück“, sagte Gantin, als er nach mehr als 30 Jahren im Dienst der römischen Kurie in sein Heimatland zurückkehrte. „Ich habe Rom mit zwar verlassen, aber nicht mit meinem Herzen. Ich bleibe ein römischer Missionar in meinem Land, wo ich die Fürsorge der ganzen Weltkirche trage. Ich bin seit zwei Jahren wieder hier. Und ich habe diese Entscheidung getroffen, um zu beten, um den Bischöfen meines Landes mit meiner Anwesenheit und meinem Gebet zu helfen“.

Er war der erste afrikanischer Bischof in der römischen Kurie und der erste afrikanischer Kardinal, der ein Kurienkollegium leitete: „Unter den afrikanischen Bischöfen ist er einer der wenigen, die an allen Sitzungen des Zweiten Vatikanischen Konzils teilgenommen haben; er hat so viel dazu beigetragen, dass er derjenige war, den Papst Paul VI. auswählte, als er einen afrikanischen Bischof in der römischen Kurie haben wollte. Aufgrund seiner persönlichen Geschichte wurde Kardinal Gantin unter den Bischöfen Afrikas als Führungspersönlichkeit angesehen: Er machte nicht viel Lärm, er sprach nicht zu laut, aber jedes seiner Worte war viel wert“, sagte Kardinal Francis Arinze, Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, über ihn.
(Fides 8/2/2025)


Teilen: