ASIEN/SYRIEN - Syrisch-katholischer Erzbischof von Homs: Die neue Zeit ist voller Rätsel

Freitag, 31 Januar 2025

Von Gianni Valente

Homs (Fides) - „Für Syrien hat eine neue Zeit begonnen. Und es ist wieder eine schwierige Zeit“, so Erzbischof Jacques Mourad. Der Mönch der Klostergemeinschaft von Deir Mar Musa, spiritueller Sohn von Pater Paolo Dall'Oglio, wurde 2015 monatelang von Dschihadisten des Islamischen Staates in Geiselhaft gehalten. Vielleicht hat diese Erfahrung seine christliche Sicht der Dinge noch deutlicher gemacht. Und heute, als syrisch-katholischer Erzbischof von Homs, entspricht das, was er über das neue Leid in Syrien sieht und hört, nicht der vorherrschenden Darstellung in den Medien, insbesondere im Westen, die von einem „Regimewechsel“ berichten, einem erfolgreichen und friedlichen Regimewechsel mit neuen islamistischen Führern, die sich um internationale Anerkennung bemühen, nachdem über 50 Jahre lang der Assad-Clan die Geschicke des Landes geleitet hatte.
Die vorherrschende Medienberichterstattung verschweigt beispielsweise die weit verbreitete Gewalt und die Angst, die wieder einmal die Tage eines großen Teils der syrischen Bevölkerung überschattet. Eine Gewalt, die - wie Jacques Mourad einräumt - „eine Falle zu sein scheint, in die alle, die hier an die Macht kommen, hinein geraten“.
In den letzten Wochen - so der syrisch-katholische Erzbischof von Homs gegenüber der Fides - sind Menschen verschwunden, die Gefängnisse füllen sich, „und man weiß nicht, wer dort noch lebt und wer tot ist“. Diejenigen, die beschuldigt werden, mit dem zusammengebrochenen Regime gemeinsame Sache gemacht zu haben, werden in aller Öffentlichkeit gefoltert. Und er berichtet auch von „mehreren Fällen von jungen Christen, die auf der Straße vor aller Augen bedroht und gefoltert wurden, um ihnen Angst einzujagen und sie zu zwingen, ihrem Glauben abzuschwören und Muslime zu werden“. Verbrechen, die sich weit weg von Damaskus ereignen.
Die Dinge laufen nicht gut, und Pater Mourad hat den Eindruck, dass „niemand etwas tun kann“, um aus dieser neuen Zeit der Angst und der Rache herauszukommen. „Ich versuche die Menschen zu ermutigen, zu trösten, um Geduld zu bitten und nach Lösungen zu suchen.“, so Erzbischof Jacques Mourad, “In der Weihnachtszeit habe ich unsere 12 Pfarreien besucht und war auch in den Dörfern unterwegs, um zu ermutigen, um gemeinsam die Hoffnung zu bewahren. Es gab schöne Begegnungen mit verschiedenen Gruppen. Aber wenn die Gewalt zunimmt, werden unsere Worte und unsere Aufrufe zur Geduld sie nicht mehr überzeugen“.
Unterdessen besuchte Kardinal Claudio Gugerotti, Präfekt des Dikasteriums für die Orientalischen Kirchen, als Gesandter des Papstes in den vergangenen Tagen Syrien, um die Nähe des Nachfolgers Petri zu den christlichen Gemeinschaften zu bezeugen, die sich besonders große Sorgen machen.
„Das frühere Regime“, erklärt Erzbischof Mourad, “präsentierte sich als Verteidiger der Christen. Sie sagten immer: Wenn wir gehen, werden die Fanatiker zurückkehren. Jetzt sehen viele Priester die Zukunft pessimistisch. Meine Antwort ist immer dieselbe: Die Situation ist auf jeden Fall unvergleichlich mit der von früher, als es unvorstellbare Verbrechen gab. Aber seit der neuen Gewalt gibt es nun auch diejenigen, die sagen: 'Ihr habt gesehen, dass es stimmt, was Bashar al Assad gesagt hat'. Das Ergebnis ist, dass viele Christen jetzt, mehr noch als zuvor, keinen anderen Weg mehr sehen, als auszuwandern. Syrien zu verlassen. Und es fällt uns schwer zu sagen, dass wir die Hoffnung nicht verlieren dürfen. Wir versuchen es, aber die Menschen glauben nicht, was wir sagen. Was sie erleben und was sie sehen, ist zu unterschiedlich“.
In den Kirchen scheint seit dem Sturz des Assad-Regimes in vielerlei Hinsicht alles so weiterzugehen wie bisher: Gottesdienste, Prozessionen, Gebete und Werke der Nächstenliebe. Die neuen Machthaber haben keine Zwangsvorschriften erlassen, die das kirchliche Leben in seiner Alltäglichkeit in irgendeiner Weise beeinträchtigen. Der anerkannte Anführer Ahmad Sharaa, auch bekannt als Abu Muhammad Dscholani, Anführer der bewaffneten Dschihadistengruppe „Hayat tahrir al Sham“, der sicham 29. Januar zum „Interimspräsident“ Syriens ernannte, hatte sich Ende 2024 mit Pater Ibrahim Faltas und den Franziskanern getroffen und anerkennende Worte für Papst Franziskus gefunden und betont, dass die während und nach dem Bürgerkrieg ausgewanderten Christen nach Syrien zurückkehren sollten. Die Gewalt, unter der die jungen Christen zu leiden hatten, äußerte sich in Form von Angriffen auf Einzelpersonen. „Aber“, so Jacques Mourad, “als die Beschlagnahmung der Waffen begann, wurden die christlichen und alawitischen Soldaten entwaffnet. Niemand hat den Sunniten die Waffen weggenommen“. „Und die Realität“, fügt er hinzu, “ist, dass es keine Regierung gibt. Es gibt verschiedene bewaffnete Gruppen. Einige sind Fanatiker, andere nicht. Und jeder hat seine eigene Macht und setzt seine eigene Herrschaft in den Gebieten durch, die er kontrolliert. Und sie haben viele Waffen, nachdem sie auch die des alten Regimes übernommen haben“. Wie andere Bischöfe auch, traf sich Erzbischof Mourad mit Vertretern der neuen Kräfte. Er hörte beruhigende Worte, aber dann ändern sich die Dinge nicht.
Jacques Mourad sagt, er wisse nicht, wie es weitergehen könne. In der Zwischenzeit geht er selbst weiter. „Wir setzen unser Leben als Pfarreien und als Diözese fort, Tag für Tag“, sagt er. Seit April letzten Jahres ist der Erzbischof für den Katechismus in ganz Syrien zuständig. Schon damals war die Lage ernst: keine Arbeit, die Gesellschaft und die christlichen Gemeinschaften noch immer von den Folgen des Krieges zerrissen.
„Ich dachte, das Wichtigste wäre, mit den Kindern neu anzufangen. Man kann nur mit Kindern und Jugendlichen neu anfangen, nachdem der Krieg alles irgendwie ausgelöscht hat. Und gemeinsam mit ihnen muss man wieder bei den wesentlichen, ursprünglichen Dingen anfangen“, so der Erzbischof weiter.
Die regionalen kirchlichen Ausschüsse wurden neu gebildet, um gemeinsam an der Ausbildung von Katecheten zu arbeiten, denn „viele, die Erfahrung hatten, waren weggegangen. Jetzt gibt es junge Leute, die Begeisterung haben, aber noch einen geistlichen Weg und eine katechetische und biblische Ausbildung machen müssen“. Die Diözesen, die Jesuiten und die Bibelgesellschaft haben ihre Kräfte gebündelt, „um sich gemeinsam auf den Weg zu machen. Wir danken dem Herrn, weil so viele junge Menschen einen solchen Wunsch, einen solchen Mut und eine solche Großzügigkeit zeigen“. Das Gleiche gelte für die Liturgien und die Wiederaufnahme der Wallfahrten nach Mar Musa und zu allen anderen Klöstern, „um die Erinnerung wieder aufleben zu lassen, in dieser Situation der Armut und des Leidens, die nach wie vor sehr ernst ist. Und um zu sehen, ob etwas wiedergeboren wird, wie ein neuer Spross“.
(Fides 31/1/2025)


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