Islamabad (Fides) - Es gebe eine kriminelle Gruppe, die ein Geschäft damit betreibt, unschuldigen Menschen falsche Anschuldigungen wegen Blasphemie anzuhängen. Die Organisation nutze das Blasphemiegesetz als Falle und als Geschäft für Erpressung, wovon bereits 450 unschuldige Opfer betroffen seien. Dies beklagen christliche und muslimische Anwälte in Pakistan, die seit einigen Monaten eine Häufung ähnlicher Fälle beobachten: Junge Menschen, gleich welcher Religion, werden hereingelegt und dann online der Blasphemie beschuldigt, was zur Verhaftung, Inhaftierung und formalen Anschuldigung der Blasphemie führt, die in Pakistan auch lebenslange Haft oder die Todesstrafe bedeuten kann.
Wie der katholische Anwalt und Parlamentsabgeordnete Khalil Tahir Sandhu gegenüber Fides berichtet, haben die Familien der fälschlicherweise der Blasphemie Beschuldigten zusammen mit ihren Rechtsvertretern kürzlich eine öffentliche Konferenz abgehalten, um den Mechanismus aufzudecken, Alarm zu schlagen und ein gezieltes Eingreifen der Polizeibehörden und der Justiz zu fordern. Der Betrug hat viele Familien erschüttert, die die Regierung und die Justizbehörden nun auffordern, den zu Unrecht Inhaftierten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Offiziell bestätigt wurde Angelegenheit auch von der Nationalen Menschenrechtskommission (National Commission for Human Rights,NCHR), die eine unabhängige Untersuchung durchführte und die Aktivitäten einer Organisation beschrieb, die Blasphemie zu ihrem Vorteil kriminell ausnutzt und Unschuldige zum Zwecke der Erpressung in die Falle lockt. Aus dem NCHR-Bericht geht hervor, dass die meisten Opfer zu Familien mit niedrigem Einkommen oder aus der Mittelschicht gehören. Den Angaben zufolge sind mehr als 450 Personen Opfer dieser Anschuldigungen geworden, die allesamt erfunden sind. Mehr als 150 Personen sind im Gefängnis in Adiala, 170 im Gefängnis in Lahore und im Gefängnis in Kot Lakhpat und 55 im Zentralgefängnis von Karatschi inhaftiert.
Die Anwälte äußern ernste Bedenken hinsichtlich der Integrität des Rechtssystems und der Rechtsstaatlichkeit und stellen fest, dass „diese Fälle offensichtlich unbegründet sind und, wenn diese Praxis nicht gestoppt wird, einen unauslöschlichen Schandfleck auf dem Justizwesen hinterlassen werden“. „Diese Praxis lässt ernste Zweifel an der Transparenz unseres Justizsystems aufkommen. Es ist dringend notwendig, eine transparente und unparteiische Untersuchungskommission einzusetzen, um die für diese Verschwörung verantwortliche organisierte Gruppe zu untersuchen und zu zerschlagen“, so Sardar Mushtaq Gill, Rechtsanwalt und Gründer der NRO “Legal Evangelical Association Development“ (LEAD).
Die Funktionsweise ist folgende: Junge Männer werden über Facebook und andere Social-Media-Plattformen auf Mädchen aufmerksam gemacht. Sie werden dann eingeladen, zu WhatsApp-Gruppen zu wechseln, um persönliche Gespräche zu führen. Sie beginnen zu chatten und die Mädchen gewinnen ihr Vertrauen. Später schickt das Mädchen eine Nachricht mit einem gotteslästerlichen Bild oder Schriftzug. Das ahnungslose Opfer bittet um eine Erklärung. Das Mädchen gibt vor, nicht zu wissen, worum es geht, und bittet darum, die Nachricht zurückzuschicken. Sobald dies geschehen ist, blockiert das Mädchen das Opfer sofort und stellt ihm eine Falle, wobei sie ihn beschuldigt, blasphemische Inhalte online zu teilen.
Erschwerend kommt hinzu, dass einige junge Angeklagte in der Haft durch Folter ums Leben gekommen sind. Dies deutet nach Ansicht der Anwälte auf ein Zusammenspiel von Beamten der Federal Investigation Agency (FIA) hin, der Bundesbehörde, die eigentlich Licht in die kriminellen Praktiken bringen sollte. Außerdem gibt es Anwälte, die vor Gericht die Kläger verteidigen und Druck auf die Richter ausüben.
In Pakistan sind in islamistischen Kreisen Überwachungsgruppen wie die „Legal Commission on Blasphemy Pakistan“ (LCBP) entstanden, ein Netzwerk von 13 Organisationen, die angeblich „entschieden gegen Online-Blasphemie vorgehen“. Beobachtern zufolge steht das Netzwerk in Verbindung mit der radikal-islamischen politischen „Partei Tehreek-e-Labbaik Pakistan“. Anwälte und Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen fordern Ermittlungen in diesen Kreisen, um kriminelle Machenschaften aufzudecken. „Dieser alarmierende Missbrauch religiöser Gesetze ist zu einem schrecklichen Mittel der Erpressung geworden und gibt Anlass zu ernster Besorgnis über die Sicherheit und die Rechte aller Bürger“, so der Anwalt Sardar Mushtaq Gill.
(PA) (Fides 30/1/2025)