“Getrennt von Ihm können wir ihr nichts vollbringen“: Das missionarische Lehramt von Papst Franziskus

Donnerstag, 24 April 2025 papst franziskus   mission   evangelisierung   evangelii gaudium  

VaticanMedia

Von Gianni Valente

Rom (Fides) - „Ich bin bei den Jesuiten eingetreten, weil mich ihre missionarische Berufung beeindruckt hat, ihr ständiges Hinausgehen an die Grenzen“, so Papst Franziskus über sich selbst. Dann wurde der junge Jesuit, der davon träumte, als Missionar nach Japan zu gehen, Bischof von Rom. Und er füllte sein Amt als Nachfolger Petri mit Mission.

Der Wunsch und die Forderung, den Schwung eines erneuerten missionarischen Geistes in der ganzen Kirche wachsen zu sehen, sind zum pochenden Herzschlag seines Lehramtes geworden. Eine „Priorität“, der er objektiv und institutionell Nachdruck verleihen wollte, als er in Apostolischen Konstitution „Praedicate Evangelium“ über die Römische Kurie, die 2022 veröffentlicht wurde, anordnete, dass das Dikasterium für die Evangelisierung „vom Papst geleitet wird“. „Die 'missionarische Umkehr' der Kirche“, heißt es in der Präambel des Dokuments, “ist dazu bestimmt, die Kirche gemäß dem Vorbild der Liebessendung, die Christus eigen ist, zu erneuern. (...).Die Umkehr selbst wird umso strahlender, wenn sie den Menschen die übernatürliche Gabe des Glaubens bringt (...)“.

Die missionarische Leidenschaft von Papst Franziskus zieht sich wie ein roter Faden durch sein gesamtes Petrusamt. Der missionarische Eifer wurde von ihm nicht als eine Dringlichkeit unter anderen dargestellt, als einer der Bereiche, in die kirchliche Energien zu investieren sind. Vielmehr wiederholte Papst Franziskus nachdrücklich, dass die apostolische Fürsorge die einzig angemessene Art und Weise ist, um alle kirchlichen Dynamiken fruchtbar und nützlich zu machen, die ansonsten dazu bestimmt sind, zu Rollenspielen für „selbstbezogene“ Kleriker zu werden. Er wollte dazu ermutigen, dass „die Gewohnheiten, die Stile, die Zeitpläne, der Sprachgebrauch und jede kirchliche Struktur ein Kanal werden, der mehr der Evangelisierung der heutigen Welt als der Selbstbewahrung dient. Die Reform der Strukturen, die für die pastorale Neuausrichtung erforderlich ist, kann nur in diesem Sinn verstanden werden: dafür zu sorgen, dass sie alle missionarischer werden“ (Evangelii gaudium, 27).

Papst Franziskus hat keine spekulativen Abhandlungen über Mission geschrieben. Er hat keinen strukturierten akademischen Gedanken der „missionarischen Programmierung“ verfasst. Stattdessen hat seine missionarische Unruhe sein gesamtes Lehramt überflutet, indem er Hinweise, Mahnungen, Intuitionen und Vorschläge einer missionarischen Grundlage in zahlreichen Predigten, Katechesen, Ansprachen und Appellen verbreitete. Ein „missionarisches Lehramt“, das sich jedoch auch über einige Schlüsselpunkte definierte, vom Beginn bis zum Ende des Pontifikats, angefangen mit dem „programmatischen Text“, der in den ersten Monaten seines Dienstes als Nachfolger Petri veröffentlicht wurde.

Der „missionarische Impuls“ von „Evangelii gaudium“

Mit dem Apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium“ „über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute“, das am 24. November 2013 veröffentlicht wurde, wollte Papst Franziskus „einige Linien vorschlagen, die in der gesamten Kirche einer neuen Etappe der Evangelisierung voller Eifer und Dynamik Mut und Orientierung verleihen können“ (EG 17). Es war ein einzigartiger lehramtlicher Text, wirksam und manchmal ungestüm, indem er wiederholte, dass die Verkündigung des Evangeliums die Daseinsberechtigung der Kirche ist.


In diesem Text bekräftigte der aus Buenos Aires kommende Bischof von Rom, dass die Sendung der Verkündigung des im Evangelium verheißenen Heils, die „erste Verkündigung“ - die in der traditionellen Sprache der Kirche mit dem griechischen Ausdruck „Kerygma“ (abgeleitet von dem Verb „rufen, verkünden“) definiert wird - ein unverzichtbarer Bestandteil des Heilsmechanismus ist. Aber eine solche Sendung entsteht nicht aus sich selbst heraus, durch gute Absichten, Überlegungen und Willensanstrengungen. Sie kann nur durch die Begegnung mit Christus und seinem heutigen Wirken freigesetzt werden. Eine Begegnung, die den Glauben weckt und diejenigen, die diese Erfahrung gemacht haben, dazu bringt, sie anderen mitzuteilen.

Das Zeugnis vom Evangelium Christi, erklärte Papst Franziskus, indem er das Apostolische Schreiben „Evangelii Nuntiandi“ von Papst Paul VI. zitierte, das ihm stets am Herzen lag, dürfe nicht „als heldenhafte persönliche Aufgabe“ angesehen werden, da es vor allem sein Werk ist, jenseits von dem, was wir herausfinden und verstehen können. Jesus ist » der allererste und größte Künder des Evangeliums «. In jeglicher Form von Evangelisierung liegt der Vorrang immer bei Gott (EG 12)

„Wenn jemand einen kleinen Schritt auf Jesus zu macht“, betonte der Bischof von Rom in diesem Zusammenhang, „entdeckt er, dass dieser bereits mit offenen Armen auf sein Kommen wartete“ (EG 3). Papst Franziskus hat auch einen Neologismus im Spanischen geprägt, „primerear“, um das vorbereitende Wirken der Liebe Christi als Quelle aller missionarischen Dynamik zu beschreiben. Eine vorauseilende Gnade, die sich als eine von Christus selbst ausgeübte Anziehungskraft manifestiert, die die Herzen in ihren Bann zieht und sie zu sich ruft. Aus diesem Grund, so wiederholte Papst Franziskus eindringlich und zitierte seinen Vorgänger Benedikt XVI., arbeite man bei der Verkündigung des Evangeliums nicht aus dem Wunsch nach Proselytismus, sondern „durch Anziehung“.

Die Verkündigung des Evangeliums, betonte Papst Franziskus in „Evangelii gaudium“, sei nicht vermeintlichen „qualifizierten Mitarbeitern“‚ vorbehalten. Die Taufe reicht aus, um das Evangelium zu verkünden, denn „jeder Getaufte ist, unabhängig von seiner Funktion in der Kirche und dem Bildungsniveau seines Glaubens, aktiver Träger der Evangelisierung“. Denn „wenn einer nämlich wirklich die ihn rettende Liebe Gottes erfahren hat, braucht er nicht viel Vorbereitungszeit, um sich aufzumachen und sie zu verkündigen; er kann nicht darauf warten, dass ihm viele Lektionen erteilt oder lange Anweisungen gegeben werden. Jeder Christ ist in dem Maß Missionar, in dem er der Liebe Gottes in Jesus Christus begegnet ist“ (EG 120).

Auf dem Weg des christlichen Glaubens - so betonte Papst Franziskus - dürfe man nicht denken, „dass das Kerygma in der Katechese später zugunsten einer angeblich „solideren” Bildung aufgegeben wird“. Vielmehr gibt es in der Erfahrung des Zeugnisses und der Weitergabe der Freude des Evangeliums „nichts Solideres, nichts Tieferes, nichts Sichereres, nichts Dichteres und nichts Weiseres als diese Verkündigung“ (EG 165). Und jede authentische apostolische Handlung, einschließlich der Predigt in der Messe und jeder Katechismusunterricht, müsse das Herz der christlichen Verkündigung widerspiegeln.
Eine der Grundtendenzen, die im gesamten Text von „Evangelii gaudium“ zu spüren sind, lässt sich mit dem Ausdruck „erleichtern“ umschreiben. Der Horizont jeder apostolischen Arbeit ist es, die Begegnung mit Jesus zu erleichtern. Zu diesem Horizont gehört auch die Anerkennung der Kirche als ein „Volk in Mission“.

Das von Jesus verwirklichte und von der Kirche freudig verkündete Heil - so Papst Franziskus in „Evangelii gaudium“ - „gilt allen“, und deshalb hat Gott „einen Weg geschaffen, um sich mit jedem einzelnen Menschen aus allen Zeiten zu vereinen. Er hat die Wahl getroffen, sie als Volk und nicht als isolierte Wesen zusammenzurufen“. Denn „niemand erlangt das Heil allein, das heißt weder als isoliertes Individuum, noch aus eigener Kraft“. Und das Volk, „das Gott sich erwählt und zusammengerufen hat, ist die Kirche. Jesus sagt den Aposteln nicht, eine exklusive Gruppe, eine Elitetruppe zu bilden. Jesus sagt: »Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern« (EG 113).
Das Volk Gottes, heißt es in „Evangelii gaudium“, sei keine kollektive Lobby, die sich mit Selbstvermarktungskampagnen zusammenschließt. Es ist das Volk derer, die Jesus begegnet sind und begonnen haben, ihm zu folgen. Und die Kirche - das Volk Gottes - sei keine Versammlung von Aktivisten einer Philosophie oder einer religiösen Idee. Es sei einfach ein Volk von Getauften, die in den gewöhnlichen, alltäglichen Bedingungen ihres Lebens Zeugnis von der Gabe des Glaubens ablegen können. „Nun, da die Kirche eine tiefe missionarische Erneuerung vollziehen möchte“, heißt es im Apostolischen Schreiben, „gibt es eine Form der Verkündigung, die uns allen als tägliche Pflicht zukommt. Es geht darum, das Evangelium zu den Menschen zu bringen, mit denen jeder zu tun hat, zu den Nächsten wie zu den Unbekannten“ (EG 127).

Der Heilige Geist, schreibt Papst Franziskus in dem Schreiben, “leitet das Volk Gottes in die Wahrheit und führt es zum Heil“. Er stattet es mit einem „Instinkt“ des Glaubens aus - dem „sensus fidei“ -, der ihm hilft, das Wirken der Gnade Christi zu erkennen und ihm zu folgen. Eine Gabe des Geistes, die sich in besonderer Weise in dem manifestiert, was Evangelii gaudium „Spiritualität des Volkes“ oder „Volksfrömmigkeit“ nennt. Gesten und Praktiken von denen man sagen kann: „Das Volk evangelisiert fortwährend sich selbst“ und die „ein authentischer Ausdruck des spontanen missionarischen Handelns des Gottesvolkes“ sind (EG 122).

Gesten und Praktiken, die niemals nur als Ausdruck natürlicher Religiosität abgetan werden sollten: „Wer das heilige gläubige Volk Gottes liebt“, so Papst Franziskus, „kann diese Handlungen nicht einzig als eine natürliche Suche des Göttlichen ansehen. Sie sind der Ausdruck eines gottgefälligen Lebens, beseelt vom Wirken des Heiligen Geistes, der in unsere Herzen eingegossen ist“ (EG 125).

Die Botschaften an die Päpstlichen Missionswerke und zum Weltmissionssonntag

Jedes Jahr konnte Papst Franziskus seine missionarische Sorge auch in den Botschaften zum Weltmissionssonntag (der in der Regel am vorletzten Sonntag im Oktober gefeiert wird) und in den Ansprachen an die Päpstlichen Missionswerke anlässlich ihrer jährlichen Vollversammlung zum Ausdruck bringen. Ansprachen und Botschaften, mit denen Papst Franziskus die Leitlinien seines missionarischen Lehramtes neu formuliert und sie auf die aktuellen Umstände und Dringlichkeiten auf dem Weg der Weltkirche anwendet. So hatte Papst Franziskus viele Gelegenheiten, zu wiederholen (wie zum Beispiel bei der Audienz für die Nationaldirektoren der Päpstlichen Missionswerke am 1. Juni 2018), dass der Protagonist und „Urheber“ der Mission der Kirche „der Heilige Geist“ ist, und dass das Buch, das diejenigen, die den Namen Christi in der Welt verkünden, zum Gebet benutzen sollten, nicht irgendein Handbuch ist, um missionarischen Marketingstrategien „eine Seele zu geben“, sondern der kleine Band der Apostelgeschichte. Die einfache Geschichte der Wunder, die der Heilige Geist unter den ersten Freunden Jesu gewirkt hat: „Dort sollt ihr Inspiration finden. Und der Protagonist dieses Buches ist der Heilige Geist“, fügte der Papst hinzu.

So erinnerte der Papst in seiner vorletzten Botschaft zum Weltmissionssonntag am 2. Februar 2024 daran, dass das Zweite Vatikanische Konzil den „eschatologischen Charakter des missionarischen Engagements der Kirche“ hervorhob und betonte »Die Zeit der missionarischen Tätigkeit liegt also zwischen der ersten Ankunft des Herrn und seiner Wiederkunft“. Die frühen Christen, so der Nachfolger Petri in dieser Botschaft, „spürten die Dringlichkeit, das Evangelium zu verkünden“. Auch heute so Papst Franziskus, „ist es wichtig, diese Perspektive im Auge zu behalten, denn sie hilft uns, das Evangelium mit der Freude derer zu verkünden, die wissen »der Herr ist nahe«

Eine einzigartige Bedeutung erlangte die Botschaft von Papst Franziskus an die Päpstlichen Missionswerke, die am 21. Mai 2020, mitten in der Corona-Pandemie, veröffentlicht wurde. In diesem lehramtlichen Text griff Papst Franziskus nicht nur einige Schlüsselworte aus „Evangelii gaudium“ auf, sondern gab auch Einblicke und Empfehlungen für diejenigen, die sich am intensivsten mit der apostolischen Arbeit befassen, die der Kirche anvertraut ist. Er erinnerte unter anderem daran, dass diejenigen, die Jesus mit ihrem Leben verkünden, ihm auch auf dem Weg der Geduld folgen, mit dem er „die Wachstumsschritte der Menschen stets mit Barmherzigkeit begleitet hat“ ohne „Lasten hinzufügen, darf ihnen keine schwierigen und mühsamen Bildungswege auferlegen, um das zu genießen, was der Herr mit Leichtigkeit schenkt“. Er erinnerte daran, dass Jesus seinen ersten Jüngern begegnet, während sie mit ihrer Arbeit beschäftigt waren. („Er ist ihnen nicht auf einem Kongress oder auf einem Bildungsseminar begegnet“. Es gehe nicht darum „Parallelwelten zu schaffen, mediale Blasen zu errichten, um die eigenen Slogans, die eigenen Lippenbekenntnisse ertönen zu lassen“.

Den Päpstlichen Missionsgesellschaften, dem Netzwerk der Nächstenliebe und des Gebets im Dienste der Mission, das über die ganze Welt verbreitet ist, empfahl der Papst, das besondere Band zu stärken, das sie mit dem Nachfolger Petri verbindet und eine „Unterstützung der Freiheit“ zu sein , „die allen hilft, sich vergänglichen Moden, Verflachungen auf einseitige Denkströmungen oder kulturelle Vereinheitlichungen neokolonialistischer Art zu entziehen“

In diesem Text erinnerte Papst Franziskus auch an einige „Gefahren und Krankheiten“, die die Arbeit von Subjekten und Institutionen, die in der Mission tätig sind, verzerren können, wie die „Selbstbezogenheit“ von kirchliche Organisationen und Körperschaften, die „ihre Kraft und Aufmerksamkeit vor allem der Selbstförderung und dem Lobpreis der eigenen Initiativen als Eigenwerbung“ widmen. Oder „den Führungsanspruch“ von Gruppen und Körperschaften, die das Gottesvolk als eine „träge Masse“ betrachten, „die stets neu beseelt und mobilisiert werden muss durch eine »Bewusstwerdung«, die durch Argumentationen, Mahnungen, Belehrungen angeregt werden muss“. Oder schließlich die ansteckende Abstraktion derer, die „nutzlose Orte strategischer Planung“ schaffen, um „Projekte und Leitlinien zu erstellen, die nur zur Selbstförderung derer dienen, die sie erfinden“.

Das Interview-Buch zur Mission

Unmittelbar nach dem Oktober 2019, der als „Außerordentlicher Monat der Weltmission“ gefeiert wurde, wird das Buch-Interview von Papst Franziskus “Senza di Lui non possiamo far nulla. Essere missionari oggi nel mondo” (Getrennt von Ihm können wir nichts vollbringen. Missionare sein in der Welt von heute“ (Verlag „LEV-Edizioni San Paolo“). Der Bischof von Rom selbst hat es den Leitern der Römischen Kurie beim traditionellen Weihnachtsgruß überreicht und es als „das ‚Dokument“ bezeichnet, „das ich sozusagen für den außerordentlichen Monat der Weltmission veröffentlichen wollte“. Er fügte hinzu: „Ich habe mich von einem Satz inspirieren lassen, von dem ich nicht weiß, von wem er stammt, der besagt, dass der Heilige Geist bereits auf den Missionar wartet, wenn er an einem Ort ankommt“.

In diesem schmalen Band ging Papst Franziskus auf einige der Begriffe ein, die er am häufigsten verwendet hat, um die Dynamik, die jedem apostolischen Werk eigen ist und aus der es entspringt, zu umschreiben. Begriffe, die in einigen Fällen Gefahr liefen, auf Slogans der neuen „Konformismen“ der kirchlichen Sprache reduziert zu werden. „Kirche im Aufbruch“, erklärte Papst Franziskus zum Beispiel, “ist kein modischer Ausdruck, den ich erfunden habe. Es ist das Gebot Jesu, der im Markusevangelium seine Jünger auffordert, in die ganze Welt zu gehen und das Evangelium 'jeder Kreatur' zu verkünden. Die Kirche ist entweder im Aufbruch oder sie ist nicht Kirche. Entweder sie verkündet das Evangelium oder sie ist keine Kirche. Wenn die Kirche nicht hinausgeht, wird sie korrumpiert, wird sie verzerrt, wird sie etwas anderes. Sie wird zu einer spirituellen Vereinigung. Eine multinationale Organisation, die religiöse Initiativen und Botschaften lanciert“. Er fügte hinzu: „Die Mission, die ‚Kirche im Aufbruch‘, ist kein Programm, keine Absicht, die durch Willensanstrengung verwirklicht wird. Es ist Christus, der die Kirche aus sich selbst herausführt. In der Mission, das Evangelium zu verkünden, bewegt man sich, weil der Heilige Geist einen antreibt. Und er trägt einen. Und wenn man ankommt, merkst man, dass er schon vor einem da ist und auf einen wartet“.

In dem Interview-Buch über die Mission hat Papst Franziskus auch den Grund für seine eindringliche Aufforderung genannt, die christliche Mission nicht zu verzerren, indem er sie mit einer Form des Proselytismus vergleicht: „Proselytismus gibt es“, erklärte der Bischof von Rom, „überall dort, wo die Idee besteht, die Kirche wachsen zu lassen, indem man auf die Anziehungskraft Christi und das Wirken des Heiligen Geistes verzichtet und alles auf irgendeine Art von ‚klugem Gerede‘ setzt. Deshalb schneidet der Proselytismus zunächst einmal Christus selbst und den Heiligen Geist von der Mission ab, auch wenn er behauptet, im Namen Christi zu handeln“. „Der Proselytismus“, fügte Papst Franziskus hinzu, “erträgt nicht die Freiheit und Unentgeltlichkeit, mit der der Glaube durch die Gnade von Mensch zu Mensch weitergegeben werden kann“.

Katechesereihe über den “apostolischen Eifer“

Im Jahr 2023 begann Papst Franziskus bei den Mittwochs-Generalaudienzen eine lange Katechesreihe, die der „Leidenschaft für die Evangelisierung, d.h. dem apostolischen Eifer“ gewidmet war („dringendes und entscheidendes Thema des christlichen Lebens“), die sein gesamtes zehntes Pontifikatsjahr geprägt hat. Auf diese Weise wollte der Bischof von Rom die „missionarische“ Ausrichtung, die den gesamten Werdegang seines päpstlichen Lehramtes geprägt hatte, wieder aufgreifen und in ihrer ganzen Resonanz wiederbeleben.

Die Katechesereihe über den apostolischen Eifer bot den auf dem Petersplatz oder in der Aula Paul VI. versammelten Menschen zahlreiche Anregungen, Empfehlungen, Vorschläge, persönlicher Geschichten, die Papst Franziskus zitierte, um alle „zur Wiederentdeckung der evangelisierenden Leidenschaft“ zu begleiten, und zu bezeugen, dass der christliche Glaube ein „Schatz“ ist, den man „empfängt“ und an andere „weitergibt“, so wie man ihn empfangen hat, ohne den Drang, mehr hinzuzufügen oder auf die „Kraft der eigenen Ideen, Programme, Strukturen“ zu setzen. Im zweiten Teil des Katechereihe erinnerte der Nachfolger Petri auch die Figuren des Jesuiten Matteo Ricci, der heiligen Kateri Tekakwitha und vieler anderer „Zeugen, die in der Kirche die Leidenschaft für das Evangelium neu entfacht haben, vor, damit sie uns helfen, das Feuer neu zu entfachen, das der Heilige Geist immer in uns brennen lassen will“.

Die „Wahlverwandtschaften“ zwischen Papst Franziskus und den Missionaren

In den zwölf Jahren seines Pontifikats haben viele Missionare und Missionarinnen dankbar eine einzigartige Nähe und Wahlverwandtschaft mit der christlichen Sensibilität des Papstes empfunden, wie sie die in den von Fides veröffentlichten missionarischen Zeugnisse berichten.
Viele Missionare fühlten empfanden seine Aufrufen zu den „Grauzonen“ der menschlichen Existenz zu gehen, in denen sich die Verkündigung des Evangeliums normalerweise abspielt, vertraut, seinen Einladungen, sich die Hände schmutzig zu machen mit der Realität, wie sie ist, das Leben so zu nehmen, wie es kommt, mit seinen Unvollkommenheiten und Fehlern, seinem Elend und Versagen, weit entfernt von den perfektionistischen Abstraktionen aller Art.

Viele Missionare waren froh, ihn predigen zu hören, dass man keine vorgefassten Ansprüche haben darf, wenn man Seelen retten will, und dass Anpassungen, die darauf abzielen, „zu retten, was zu retten ist“, immer effektiver sind als ein starres Festhalten an der Reinheit der eigenen ideologisierten Prinzipien.

Viele Missionare wissen aus Erfahrung, dass „ein kleiner Schritt inmitten großer menschlicher Begrenzungen“ Gott wohlgefälliger sein kann „als das äußerlich korrekte Leben dessen, der seine Tage verbringt, ohne auf nennenswerte Schwierigkeiten zu stoßen“ (Evangelii gaudium 44). So viele Missionare wissen auch aus eigener Erfahrung, dass diejenigen, die das Evangelium verkünden, aufgerufen sind, eine Vorgehensweise zu wählen, „bei der Besonnenheit, die Fähigkeit zu verstehen, die Kunst des Wartens, die Fügsamkeit gegenüber dem Geist“, die Bereitschaft zuzuhören, Schritt für Schritt zu gehen und „mit der Zeit zu rechnen“ und „unermessliche Geduld zu haben“ im Mittelpunkt stehen, denn wie der selige Petrus Faber sagte: »Die Zeit ist der Bote Gottes«. (vgl.EG 171).

Aus all diesen Gründen kann das „missionarische Lehramt“ von Papst Franziskus für die kirchlichen Wege und Zeiten der Zukunft wertvoll sein. Wo alle auf seine Worte und die Erinnerung an ihn zurück greifen können, indem sie sich daran erinnern, dass „in der Kirche alles an die Bedürfnisse der Verkündigung des Evangeliums angepasst wird; nicht an die Meinungen von Konservativen oder Progressiven, sondern daran, dass Jesus das Leben der Menschen erreichen soll (Papst Franziskus, Generalaudienz am Mittwoch, den 22. Februar 2023).
(Fides 24/4/2025)


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